Jan Michalski-Literaturpreis 2012

Der Jan Michalski-Literaturpreis 2012 wird Julia Lovell für The Opium War – Drugs, Dreams and the Making of China verliehen. In ihrer umfangreichen Studie schildert die britische Historikerin, Autorin und Übersetzerin die Geschichte des Opiumkrieges zwischen 1839 und 1842 sowie dessen weitreichende Folgen. Noch heute spielt die Erinnerung an diesen Konflikt in China eine wichtige Rolle.

Das Thema von Lovells Buch – der Opiumkrieg – ist deshalb von so grosser Bedeutung, weil dieser Konflikt in China immer noch tiefe Spuren hinterlassen hat. «Aus chinesischer Sicht widerfuhr China durch das Opium und den Opiumkrieg im 19. Jahrhundert eine tiefe Demütigung», so Julia Lovell. «Diese Episode zählt deshalb zu den Gründungsmythen des modernen chinesischen Nationalismus.»

Julia Lovell recherchierte für ihre Darstellung der historischen Ereignisse ausführlich in Peking sowie in staatlichen Archiven in Grossbritannien. Laut Isabel Hilton, Mitglied der Jury des Jan-Michalski-Literaturpreises, Schriftstellerin und Herausgeberin der Website Chinadialogue, «beeinflusst der Opiumkrieg noch heute die Einstellung und die Beziehungen Chinas zur westlichen Welt».

Die Vorsitzende der Jury, Vera Michalski-Hoffmann, überreichte Julia Lovell den mit 50.000 Schweizer Franken dotierten Preis sowie ein Werk des Schweizer Malers und Zeichners Martial Leiter.

The Opium War von Julia Lovell ist das erste Buch aus der Kategorie Sachbuch, das mit dem Jan-Michalski-Literaturpreis ausgezeichnet wird. In den Vorjahren wurde der Preis an die Romanschriftsteller Aleksandar Hemon (2010) und György Dragomán (2011) verliehen.

Eine besondere Würdigung durch die Jury erfuhren auch zwei weitere herausragende Werke, die sich mit historischen Themen befassen. In die Endausscheidung des Jan-Michalski-Literaturpreises gelangten neben Julia Lovell auch Martin Pollack und Timothy Snyder. Der österreichische Schriftsteller, Journalist und literarische Übersetzer Martin Pollack veröffentlichte mit Kaiser von Amerika : Die große Flucht aus Galizien eine literarische Reportage über die Auswanderungswelle aus Galizien nach Amerika zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Timothy Snyder, Geschichtsprofessor an der Yale University und Holocaustforscher, verfasste mit Titel : Bloodlands – Europa zwischen Hitler und Stalin eine in bereits über zwanzig Sprachen übersetzte vergleichende Studie zu den Massakern, die unter nationalsozialistischer und stalinistischer Terrorherrschaft in Osteuropa begangen wurden.

Die drei Finalisten des Jan-Michalski-Literaturpreises 2012 bereichern mit ihren Werken die aktuellen Debatten über nationale Identität, Migrationsbewegungen und die Akte der Barbarei in der Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts.

Die Besonderheit des Jan-Michalski-Literaturpreises liegt in seiner multikulturellen Ausrichtung. Er will einen Beitrag zur internationalen Anerkennung von Schriftstellern leisten. Die international besetzte Jury unter dem Vorsitz von Vera Michalski-Hoffmann besteht aus Włodzimierz Bolecki, Nuruddin Farah, Yannick Haenel, Isabel Hilton, Georges Nivat, Ilija Trojanow und Fabienne Verdier. Die Mitglieder der Jury üben ihr Amt ehrenamtlich und unabhängig aus. Sie schlagen Werke aus ihren jeweiligen Sprachen vor, über die dann in den Jurysitzungen diskutiert wird. Die ausgewählten Werke werden, falls nötig, in eine von allen Mitgliedern der Jury beherrschte Sprache übersetzt. Nur bereits veröffentlichte und von den Mitgliedern der Jury vorgeschlagene Werke werden bei der Verleihung des Jan-Michalski-Literaturpreises berücksichtigt.